Rätsel des Schafes
Je eindringlicher und schöner die Philosophie spricht, um so intensiver fühlt sich Sternchen vom Eros des Denkens berührt. Auch wenn sie der Rede des Philosophen Zeda über Nietzsches ›glückliches Schaf‹ nicht immer zu folgen vermag. Vor ihrem Auge, oder besser Ohr, weiten sich die Worte des Philosophen zu Landschaften für ihre Projektionen, während ihr Freund Gusto versucht, die Grundlagen der Ästhetik zu vermitteln. ›Kunst ist Freiheit‹ lernt Sternchen und reklamiert für sich die Freiheit, weiterhin verträumt dem Diskurs des Philosophen zu lauschen, vermeintlich glücklich wie das Schaf auf der Weide.
Kurzhörspiel von Naomi Schenck, 2006
Ausgezeichnet auf den Hörspieltagen in Kassel mit dem ARD-Preis ›Premiere im Netz‹ als bestes Kurzhörspiel 2006
Mit Caroline Peters
Produktion:
Bojan Vuletic, Naomi Schenck
Musik:
Thomas Clyne, Artificial Memory Trace, Bojan Vuletic, Soo-Jung Kae, Chang-U Choi
Hörprobe
Hummelflug
Stromausfall in einem Szenecafé. Die Musik verstummt, Kerzen werden verteilt, ein junger Serbe setzt sich ans Klavier und spielt den Bumble Boogie. Dann gehen Lichter und Musik wieder an. Der Klavierspieler sitzt jetzt in der Ecke und trinkt Bier. Er spricht kaum, keiner kennt ihn. Nur die Kellnerin ist neugierig geworden. Der junge Mann stammt aus Belgrad. Dreht die Worte um und macht aus komisch misch-ko und aus Freiheit Heit-frei. Das Mathematiktalent hat in der jugoslawischen Armee gelernt, wie man Knöpfe annäht und er wäre Sniper geworden, wenn er in den Krieg gezogen wäre; das weiß er, so wie andere wissen, dass sie Pilot geworden wären oder Funker. Aber er ist nicht in den Krieg gezogen, er ist nach Deutschland abgehauen. Jetzt ist er hier. Und will Kunst machen. Der Kellnerin gefällt das. Die beiden werden ein Paar und heiraten bald, um seine Abschiebung zu verhindern. Zehn Jahre später und lange nach der Scheidung lässt die Protagonistin die melancholische Liebes- und Ehegeschichte Revue passieren. Ein persönlicher Blick auf die Auswirkungen des Balkankrieges.
(PR-Text SWR)
Hörspiel von Naomi Schenck, 2007
Regie: Die Autorin
Redaktion: Ekkehart Skoruppa
Produktion: SWR
Musik: Gerhard Stäbler
Mit: Therese Dörr, Stipe Erceg uva.
Länge: ca. 52 min.
Hawaii – Szenen aus einer hellen Nacht
Hawaii:
Onda will einen Versuch an sich selbst durchführen: Liebe künstlich herzustellen. Der Befund dieses Projekts wird in einem Buch mit dem Titel Hawaii veröffentlicht. Künstlich geliebter Mann soll Belm sein, ein Fremder, den sie anspricht. Mit entwaffnender Offenheit stürzt Onda sich in dieses Experiment und konzentriert ihr Leben auf Buch und Beziehung zu Belm. Belm hingegen, studierter Philosoph, liebt nicht nur seine Freiheit sondern weiß sich auch zu schützen. Wo Onda sich unterwirft, anbiedert, liebkost und um Liebe bettelt, bleibt Belm unnahbar. Wo Onda die Beziehung zu ihrem Verlobten löst, pflegt Belm weiterhin seine Affäre mit der schönen Francoise. Wo Onda sich nach seinen Komplimenten sehnt, negiert Belm alles, was vielleicht in trunkenen Zuständen über seine Lippen kam. Doch Ondas Beharrlichkeit zeigt Erfolg. Belm gewöhnt sich an die Frau, die nicht von seiner Seite weichen mag. Aber als Onda ihm eröffnet, dass sie schwanger ist, oder zumindest vorgibt es zu sein, verliert Belm die Balance. Onda beendet das Projekt und lässt ihn zurück. Was Belm bleibt sind ›22 protokollierte Versuchsanordnungen mit dem Ziel, Liebe künstlich herzustellen‹.
Mit einer Mischung aus Humor und Tragik verknüpft Naomi Schenck in 22 Szenen das Leben zweier Menschen, die zunächst nichts weiter verbindet als eine Handvoll Spielregeln. Dass Liebe hergestellt werden konnte, steht außer Zweifel, dass aber damit ein Happy End unausweichlich sein müsste, war in der Projektbeschreibung anscheinend nicht vorgesehen.
Hörspiel von Naomi Schenck
Regie: Oliver Sturm
Mit: Sascha Icks, Ulrich Noethen
Produktion: SWR 2009
Länge: ca. 56 min.
Hörprobe
Einmal Hörspiel und zurück
Im Sommer 2006 machte ich Urlaub in der Schweiz. Statt zu wandern, schrieb ich das Skript für ein Kurzhörspiel, das ich bei einem Wettbewerb einreichen wollte. Denn ich sehnte mich danach, dass endlich einmal etwas von mir veröffentlicht würde. Wieder Zuhause, wenige Tage vor Abgabeschluss las ich noch einmal die Bedingungen und verstand nun, dass kein Text, sondern die Audiodatei eines fertigen Hörspiels eingereicht werden sollte.
Ich hatte mich nie mit Hörspiel beschäftigt, aber ahnte, dass man dafür ein Studio bräuchte, Sprecher und jemanden, der sich mit Musik und Schnitt auskennt.
Caroline Peters, mit der ich kurz zuvor einen Tatort gedreht hatte, war bereit, mitzumachen; die männlichen Rollen waren schnell mit Freunden besetzt. Eine Freundin stellte den Kontakt zu Bojan Vuletic her, einem Düsseldorfer Musiker mit Mischpult im Dachgeschoss und jeder Menge Ideen. Fünf Tage später luden wir kurz vor Mitternacht das siebenminütige Hörspiel auf den ARD Server hoch. Zwei Monate später erfuhr ich, dass mir bei den Hörspieltagen in Kassel der Preis ›Premiere im Netz‹ verliehen würde. Hörspiel sei eine kleine Kunstform, hieß es in der Laudatio, aber eine tolle Kunstform, denn man habe viel Freiheit.
Die Siegerprämie bestand darin, dass ich Regie bei einem langen Hörspiel führen dürfte.
Ich wusste sofort, welchen Text ich dafür nehmen würde: Hummelflug – die autofiktionale Geschichte der siebenjährigen Ehe einer Kunststudentin und ihrem serbischen Kommilitonen, vor dem Hintergrund der Balkankriege. Der Redakteur half mir bei der Bearbeitung meiner einige Jahre zuvor verfassten und seither in der Schublade liegenden Erzählung. Es folgten Casting, Hörspiel-Crashkurs und zwei Wochen in Baden-Baden für die Produktion. Das Hörspiel wurde im SWR gesendet, der Deutschlandfunk übernahm es.
So viel Spaß, wie mir das Regieführen gemacht hatte, stand für mich fest, sowas von nun an häufiger zu machen. Aber so einfach ging das nicht. Die Idee, aus meinem von S. Fischer unter Vertrag genommenen Theaterstück ›Hawaii-Szenen aus einer Hellen Nacht‹ ein Hörspiel zu machen, fand der SWR-Redakteur zwar gut, aber für die Regie wollte er diesmal einen Profi.
Also nicht mich? Schade!
Ich schlug einen Regisseur vor, der mir bei den Hörspieltagen in Kassel alles Mögliche erklärt hatte und mir Hörspiele von Ror Wolf und Ingeborg Bachmann und Michaela Melian geliehen hatte. Als ›Hawaii‹ 2010 im SWR und urausgestrahlt wurde, war es ein seltsames Gefühl, die eigenen Sätze so anders als von mir gedacht interpretiert zu hören. Es war nicht mehr meins.
Das nächste Mal führe ich wieder Regie, sagte ich mir.
Aber es gab kein nächstes Mal. Denn so rasch wie ich dort hineingeraten war, so schnell entfernte ich mich wieder aus der Hörspielwelt. Ich stattete weiter Filme aus und schrieb jetzt Kurzgeschichten zu meinen Wohnungsbesuchen.
Manchmal, wenn spät nachts auf Deutschlandradio Kultur merkwürdige Töne und eigenartige Stimmen erklingen, denke ich daran, wie viel möglich ist in dieser experimentellen ›kleinen‹ Kunstform. Und wünsche mir, irgendwann noch mal aus einem eigenen Text mit Stimmen, Geräuschen und Musik etwas ganz anderes, seltsames zu machen.
